Ist der Fan-­Einfluss ein Mythos?

    Die FCB-Fans können ab 20. August endlich wieder ihre Mannschaft unterstützen

    Nach vielen Monaten ohne Fanschar im «Joggeli» ist es endlich bald wieder soweit: Ab dem 20. August 2021 kann man den FC Basel, den EHC Basel sowie auch die anderen Clubs der Region wieder «live» anfeuern. Natürlich auch mit dem Ziel, Einfluss auf das Spielgeschehen zu nehmen und dem Heimvorteil zusätzlich Gewicht zu verleihen. Aber ist dieser Heimvorteil letztlich nur ein «Mythos»? Wir haben recherchiert und Erstaunliches heraus gefunden.

    (Bilder: Shutterstock) Nun können also die Fans wieder Einfluss nehmen auf die Stimmung im Stadion und… vielleicht sogar auf das so viel zitierte «Momentum» im Spielgeschehen.

    An den Fussball Europameisterschaften und in den USA waren bereits Fans in den Stadien zugelassen. In einigen Arenen und Stadien wurde die Auslastung sogar schon ausgereizt.

    Die Topvereine in Fussball und Eishockey sowie die Veranstalter von sportlichen Grossanlässen hatten in den letzten Wochen immer wieder Planungssicherheit gefordert. Diese erhalten sie nun vom Bundesrat. Und nicht nur das: Lässt es die epidemiologische Lage zu, könnten Fussball-Partien schon im August, also ein Monat nach Saisonstart im Juli, wieder vor vollen Rängen stattfinden. Bisher hatte der Bundesrat stets von maximal 10’000 Zuschauern ab September gesprochen. Die Grenze von 10’000 zugelassenen Sitzplatz-Zuschauern gilt nach aktuellem Stand weiterhin für Anlässe im Innern, also zum Beispiel für Eishockeyspiele.

    Im Aussenbereich dagegen plant der Bundesrat ab dem 20. August ganz ohne Begrenzungen. Für die Clubs der Swiss Football League wären ab der vierten Meisterschaftsrunde bei Einhaltung der Sitzpflicht keine Zuschauerbeschränkungen mehr nötig. Zutritt zu den Stadien im Innern und Freien erhalten aber ausschliesslich Personen, die geimpft, genesen oder negativ getestet worden sind.

    Gibt es einen «Heimnachteil»?
    Nun können also die Fans wieder Einfluss nehmen auf die Stimmung im Stadion und… vielleicht sogar auf das so viel zitierte «Momentum» im Spielgeschehen. Aber haben die Fans überhaupt einen so entscheidenden Einfluss oder ist dieser eher ein Mythos? Ist also die Rückkehr der Fans in den Stadien nun doch kein so grosser Faktor wie man es sich erhoffen würde? Für das Gemeinschaftserlebnis Sport trifft dies auf jeden Fall zu. In der Sportwissenschaft ist man sich da eher uneins, was den «Heimvorteil durch die Fans» betrifft.

    Grosse Vorfreude auf tolle Spiele mit Fans im St. Jakob Park – vorausgesetzt, es gibt im Sommer keinen schlimmen Ausbruch wegen der Delta-Corona Variante

    Als Heimvorteil wird die erhöhte Wahrscheinlichkeit bezeichnet, einen sportlichen Wettbewerb unter «heimischen» Bedingungen (zum Beispiel das «eigene» Sportstadion), erfolgreich zu beenden. Ein absoluter Heimvorteil liegt vor, wenn die Wahrscheinlichkeit, unter «heimischen» Bedingungen zu siegen, grösser ist als 0.5. Von einem relativen Heimvorteil kann dann gesprochen werden, wenn die Wahrscheinlichkeit, unter heimischen Bedingungen zu gewinnen, grösser ist, als zu verlieren. Bei einer Orientierung an den gewonnenen und zu vergebenden Punkten liegt ein Heimvorteil vor, wenn mehr als 50 Prozent der möglichen Punkte zu Hause gewonnen werden (Quelle: Prof. B. Strauss). Aus sportwissenschaftlicher und -psychologischer Sicht soll der Heimvorteil zuweilen auch ein «Heimnachteil» sein: Wenn beispielsweise der Druck auf die Spieler, vor den eigenen Fans performen zu müssen zu gross erscheint. Oder auch, wenn aufgrund der aufgeheizten Stimmung die Spieler der gegnerischen Mannschaft sogar noch motivierter sind als jene des Heimteams.

    Natürlich spielen weitere Faktoren eine Rolle, wie beispielsweise der mentale Umgang der Schlüsselspieler in diesen besonderen Partien, der manchmal vielleicht spielbeeinflussende Entscheidung in den Matches herbei führt. Manche Fachleute behaupten, dass der «Heimvorteil besonders im Kopf» stattfinde und dass die gewohnte Umgebung und Routine ausschlaggebend sei für den Heimvorteil. Bei den heutigen Profis würde der Druck, den die gegnerischen Fans ausüben, eher motivierend denn einschüchternd wirken. Und nicht wenige sagen sogar, dass in den Playoffs der von den eigenen Fans provozierte Adrenalin- und Motivationsschub unter anderem sogar negative Folgen hätte (übermotivierte Spielweise, Erwartungsdruck und so weiter).

    Profis lassen sich nicht mehr einschüchtern…
    Nun aber ist im Jahre 2021 alles anders als gewohnt: Die Präsenz der Fans wird nicht mehr als selbstverständlich angesehen, sondern als Bonus nach den schweren Pandemiemonaten vor verwaisten oder fast leeren Rängen. Der Fan-Einfluss sowie jener aus dem direkten und indirekten Umfeld ist wieder spürbar. Es gibt viele Studien über die Wirkung der Fans auf die Leistungen der Mannschaften, die nun jetzt wieder ausgegraben werden. Die meisten sind statistisch gestützt. So sagt beispielsweise Daniel Memmert, Professor am Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik an der Deutschen Sporthochschule Köln: «Einen Heimvorteil gibt es tatsächlich, er ist nachweisbar, aber er hat in den vergangenen Jahren abgenommen. Aktuell reden wir von ungefähr 50 Prozent siegreich gestalteten Heimspielen in den meisten Mannschaftssportarten. Aber der Heimvorteil hat eher weniger mit den Zuschauern im Stadion zu tun. Der Einfluss der Zuschauer wird nämlich systematisch überschätzt.» Diese Überschätzung des Heimvorteils hat mehrere Gründe. Einige wurden schon aufgeführt, wie die Motivation, es den feindseligen Fans so richtig zu zeigen. Die Sportprofis der Gegenwart sind zudem nunmehr so fokussiert auf ihre Leistung und psychologisch so gut vorbereitet, dass sie aus jeder Lage und aus jeder Emotion das Momentum ziehen können. Ausserdem: Die Schiedsrichter lassen sich weniger beeinflussen als früher. Ein Vorteil resultiere, so so sagen die sportwissenschaftlichen Studien, eher mit der Vertrautheit mit der eigenen Sportstätte, dem Stadion, der Kabine. Sogar die Menschen, die einem auf dem Weg von der Kabine begrüssen und abklatschen, könnten schon eine Rolle spielen, wird in Professor Memmert zitiert.

    Psychologischer Impact
    Dass die Fans aber das viel zitierte Momentum beeinflussen können, ist empirisch nicht beweisbar, aber «gefühlt erwiesen». Ein Beispiel aus dem Eishockey zeigt dies auf: In Playoff-Auftaktspielen und in einem Spiel 7 sollen, so besagen einige Untersuchungen, die Fans und der Heimvorteil entscheidend sein (diverse Quellen aus der NHL, u.a. Kyle McMahon). Was dann aber in Synergie mit der Fan-Unterstützung mitwirken müsse, sei entweder die Übername des Zepters der Heimmannschaft in spielerischer, kämpferischer oder emotionaler Sicht. Oftmals ist das «Momentum» in den ersten beiden Playoffpartien und in Spiel 5 wirksam, weil es den Ton für die Serie angibt. Diese These ist aber alles andere als sakrosankt, nicht statistisch bewiesen und nur auf Erfahrungswerte basierend. Auch wenn die Profi-Referees kaum mehr eine Belastung oder einen Druck wegen der Stimmung im Stadion spüren, so wurde in einer Studie von 2002 mit dem Titel «The influence of crowd noise and experience upon refereeing decisions. Psychology of Sport and Exercise» (durch Nevill, A. M., Balmer, N. J., & Williams, A. M.) die Wirkung der heimischen Fans auf die Schiedsrichter wenigstens statistisch nachgewiesen. Aber auch hier zeigte sich in den letzten zwei Jahrzehnten mit der Professionalisierung und auch dank der Digitaltechnik ein eher gegenteiliger Trend.

    JoW

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