«Gemeindegrenzen sind irrelevant»

    Beispiel «Birsstadt» – Anhaltender Trend zu gemeinsamen kommunalen Projekten

    Der Trend zu gemeinsamen kommunalen Projekten hält an. In der Region werden einige verwirklicht. So haben sieben Gemeinden der «Birs­stadt» ein gemeinsames Raumkonzept verabschiedet. Es formuliert gemeinsame Entwicklungsziele bis ins Jahr 2035 und zeigt den überkommunalen Handlungsbedarf auf für eine gemeinsame Strategie und für Massnahmen, um die Birsstadt als Wirtschafts- und Wohnstandort zu fördern.

    (Bilder: zVg) Die WAVE 2019 (World Advanced Vehicle Expedition) startet am 14. und 15.6.2019 in der Birsstadt.

    Die nachhaltige Entwicklung von Siedlung, Landschaft und Verkehr kennt keine geografischen Grenzen. Kein Wunder also, wurde das Raumkonzept Birsstadt 2035 im Juni 2016 von sieben Gemeinden (Aesch, Arlesheim, Birsfelden, Dornach, Münchenstein, Pfeffingen und Reinach) verabschiedet. Es entstand in der Arbeitsgruppe Regionalplanung (RPLG) unter dem Lead der Gemeinde Reinach. Die Vision war klar: Die Gemeinden einigten sich auf eine gemeinsame nachhaltige Entwicklung von Siedlung, Landschaft und Verkehr, um die Schnittstellen besser abzugleichen und auch gegenüber den Kantonen Baselland und Solothurn mit einer Stimme aufzutreten. Erstmals wurde in der Region damit eine Planung über die Gemeindegrenzen hinweg angestrebt. Seit Ende 2016 sind auch Muttenz und Duggingen in der Regionalplanungsgruppe aktiv. An der Vision habe sich nichts geändert, aber die Arbeitsgruppe RPLG kam zur Erkenntnis, dass das Raumkonzept ständig den neuen Entwicklungen angepasst werden müsse, heisst es vom Verein Birsstadt. Auch die Lücke von Muttenz, Duggingen und Grellingen im Raumkonzept 2035 müsse geschlossen werden. Wir haben mit der Leiterin der Geschäftsstelle, Gelgia Herzog, gesprochen.

    Seit 2016 ist das Raumkonzept verabschiedet. Was ist seitdem konkret passiert? Wie war die Entwicklung?
    Gelgia Herzog: Der Verein Birs­stadt wurde am 3. Februar 2018 gegründet. Es war eine logische und notwendige Entwicklung, um den drei ständigen Arbeitsgruppen RPLG, Energie-Region und Birspark Landschaft ein Dach zu geben und Projekte aufeinander abzustimmen. Im September 2018 wurde eine neue Geschäftsstelle aufgebaut, welche für die Öffentlichkeitsarbeit und die Koordination zwischen Vorstand und Arbeitsgruppen zuständig ist.

    Die Exponenten des Raumkonzeptes Birsstadt bei der Vereinsgründung im Februar 2018.

    Was hat sich seit dem Zusammenschluss für die Gemeinden geändert?
    Gelgia Herzog: Für die Gemeinden hat sich durch die Gründung des Vereins nicht viel geändert. Neu wird ein zusätzlicher Mitgliederbeitrag für den Verein und die Geschäftsstelle zusätzlich zu den Beiträgen an die Projekte der Arbeitsgruppen in Rechnung gestellt. Das Ziel wäre in Zukunft ein Effizienzgewinn in Bezug auf die interne Zusammenarbeit.

    Wie hat die Bevölkerung darauf reagiert?
    Gelgia Herzog: Bis jetzt – soweit ich informiert bin – ausnehmend positiv.

    Wer profitiert am meisten vom Projekt Verein Birsstadt?
    Gelgia Herzog: Der Kanton Baselland verlangt von den Gemeinden die regionale Zusammenarbeit zu stärken. Hier hat die Region Birsstadt einen grossen Vorteil, weil bereits seit vielen Jahren auf politischer und Verwaltungsebene in den erwähnten Arbeitsgruppen zusammengearbeitet wird. In den Themen Siedlungsentwicklung, Verkehr und Landschaft sind Gemeindegrenzen meistens irrelevant.

    Welche Gemeinden/Personen sind bisher federführend und warum?
    Gelgia Herzog: Das Präsidium des Vereins Birsstadt wechselt jährlich in einem definierten Turnus von Gemeinde zu Gemeinde. Somit hat jede Gemeinde einmal die Aufgabe, sich mit dem Thema Birsstadt intensiv zu beschäftigen. Auch die Leitung der Arbeitsgruppen Energie-Region und Birspark Landschaft wechselt regelmässig. Die Leitung der RPLG ist historisch bedingt bei der Gemeinde Reinach. Bei Projekten melden sich interessierte Gemeinden für die Arbeit im Projektausschuss. Aufgrund der fehlenden Ressourcen in den Verwaltungen können kleinere Gemeinden keine aufwändigen Projektarbeiten übernehmen. In diesem Fall wird solidarisch für die Integration gesorgt.

    Als wichtigen Punkt nennen Sie in Ihren Communiqués die Schaffung von Synergien. Wie sehen diese Synergien konkret aus?
    Gelgia Herzog: Das neuste Projekt der Birsstadt heisst «Mobilitätskonzept Birsstadt». Es geht in diesem Projekt darum die Schnittstellen von Siedlungsentwicklung, Verkehrsplanung und Landschaftsnutzung aufzuarbeiten und für die Zukunft abzustimmen. Würde nun jede Gemeinde ein eigenes Mobilitätskonzept erstellen, hätten wir zehn Mobilitätskonzepte, welche nicht aufeinander abgestimmt sind. Auch im IBA-Projekt Birspark Landschaft konnten zahlreiche Leuchttürme umgesetzt werden nach den Vorgaben des Aktionsplanes, welcher von allen Gemeinden gemeinsam erarbeitet wurde. Der Erlebnisweiher in Reinach ist ein aktuelles Beispiel dafür. Auch im Energiebereich wird gemeindeübergreifend stark zusammengearbeitet, zum Beispiel bei Musterformulierungen von Quartierplan-Reglementen oder Ausschreibungsunterlagen für Elektroladestationen.

    Wie sieht konkret das Wirtschaftsförderungskonzept aus?
    Gelgia Herzog: Bis jetzt hat der Verein Birsstadt das Thema Wirtschaftsförderung nur marginal behandelt. Die Wirtschaftsförderung wird im Kanton Baselland kantonal abgewickelt. Es ist jedoch im zweiten Halbjahr 2019 ein Erfahrungsaustausch zum Thema Standortförderung geplant, welcher in Zusammenarbeit mit der Standortförderung des Kantons organisiert wird.

    Welche Projekte, die Sie realisiert haben oder planen, kommen am besten bei der Bevölkerung an?
    Gelgia Herzog: Der Birspark Landschaft und die umgesetzten Massnahmen aus dem Aktionsplan sind ein grosser Mehrwert für die Bevölkerung und werden sehr geschätzt. Auch Aktionen wie die jährliche «Birs­putzete» im Herbst sind beliebte Mitwirk-Veranstaltungen.

    Welche Projekte haben bis jetzt am meisten Wertschöpfung erzielt?
    Gelgia Herzog: Das Thema Wertschöpfung wurde bisher im Verein Birsstadt nicht behandelt, deswegen kann ich dazu keine Aussage machen.

    Der Birspark Landschaft: Einer der aktuellen Projekte, der für die Bevölkerung einen spürbaren Mehrwert erzeugt.

    Was kann man von Ihnen in den nächsten Monaten erwarten?
    Gelgia Herzog: In den nächsten Monaten werden wir arbeitsgruppenübergreifend vor allem mit dem Mobilitätskonzept Birsstadt beschäftigt sein, welches im Mai 2019 vom Vorstand verabschiedet wurde. Ebenso arbeiten wir intensiv an der Schlussausstellung der IBA Basel 2020, welche vom 26. Juli 2020 – 20. September 2020 im Vitra Design Museum in Weil stattfindet. Die Birspark Landschaft hat dafür im April 2019 die Labelisierung erhalten.

    Am 14. Juni findet die Wave Trophy statt. Wie wird das Ereignis angekündigt und was bedeutet es für die Birsstadt?
    Gelgia Herzog: Die WAVE 2019 ist ein Projekt der Arbeitsgruppe Energie-Region. Es ist für uns eine Ehre, dass der Start dieser weltweit grössten E-Raylle in der Birsstadt stattfinden wird. Die Birsstadt-Region möchte insbesondere die Chance nutzen, um die positiven Aspekte der Elektromobilität bekannt zu machen und gezielt zu fördern. Wir bewerben den Anlass über unsere Kanäle wie Webseite www.birsstadt.swiss, Birsstadt-TV www.birsstadt-tv.ch und Facebook, sowie über die Gemeinden und regionalen Veranstaltungskalender.

    Wie profitiert die Birsstadt von diesem Ereignis?
    Gelgia Herzog: Es ist immer schwierig eine direkte Wertschöpfung aus PR-Aktionen zu messen. Dies ist auch nicht unser Fokus. Wir stehen in der Verantwortung gegenüber einer sich wandelnden Gesellschaftsstruktur und möchten Alternativen zu bisherigen Möglichkeiten aufzeigen, die Bevölkerung sensibilisieren und sie auf neue Ideen bringen. Der Verein Birsstadt möchte als Vorzeige-Region wichtige Denkanstösse liefern, die den Menschen in Zukunft von Nutzen sein können.

    Daniele Ciociola

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